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Motorrad- und Automobilclub Kirchberg und Umgebung

Als Anfang Juni 2004 erneut die Oldtimer am Fuße des Borberges in 7. Auflage der "Kirchberg-Classics" zu ihrer Tour durch den Zwickauer Landkreis starteten, so war das der Beginn einer Jubiläumsfahrt, eingebettet in der 75-jährigen Geschichte des Automobilwesens unserer Stadt.

Es war im Wonnemonat Mai des Jahres 1929 als sich die „Ortsgruppe des Motorrad- und Automobil-Clubs Kirchberg und Umgebung“ im Hotel „Brühl“ konstituierte. Ihr Vorsitzender, Krankenhausverwalter Hans Wolf, hatte schon ein Jahr zuvor mit dem Fahrrad- und Motorradhändler Hans Kramer die „Ortsgruppe Kirchberg des Motorrad-Clubs im ADAC“ gegründet.

Jetzt waren die Automobilisten hinzugekommen, denn mit denen fing alles an. Schularzt Dr. med. Ernst Mosig erregte Aufsehen, als er 1912 mit dem großen 8-Zylinder Mercedes-Benz über Kirchbergs holpriges Straßenpflaster fuhr. Aber zum sportlich-volkstümlichen Idol wurde das Motorrad. Schon 1922, als die Fahrradhändler- Dynastie Kramer noch in Saupersdorf Nr. 34 ansässig war, fuhren Hermann Kramers Söhne Alfred und Arno eine 2-Gang-Schüttow, während Bruder Hans nach Kirchberg übersiedelte und ein Fahrradgeschäft hinter den Firmen NSU und Zündap spezialisierte und noch heute in vierter Generation für alle Radfahrer eine gute Adresse ist.

Dass der Krankenhausverwalter Hans Wolf auch als Vorsitzender des um Automobile erweiterten Motorradclubs fungierte, hatte mit seiner beruflichen Tätigkeit zu tun. Er fuhr Kirchbergs erstes Krankenauto der Marke Opel, welches 1926 für 12.196,- Mark von der Stadtverwaltung gekauft worden war. Es kostete den Stadtvätern nicht nur Nerven, sondern jährlich „1.767,- Mark für Benzin und Wartung sowie 2.096,- Mark Lohn für den Wagenführer.“

Für 1926 sind 256 Krankentransporte mit 5.226 Fahrkilometern ausgewiesen. Ab 1928 wird Kirchberg im seit 1927 jährlich erscheinenden „Reichs-Verkehrs-Jahrbuch“ erwähnt in den für jede Stadt üblichen Standardzeilen. Vorsitzender: Hans Wolf, Vereinslokal: Brühl, Vereinsarzt: Dr. med. Ernst Wegner, Bahnhofstraße 25 II, Sanitätsgruppe: Dr. med. Emil Fischer, praktischer Arzt, Hauptstraße 71 I. - Alle begeisterte Autofahrer.

Es ist die Zeit, zu der Kirchbergs Haupthandelsgut als Tuchmacherstadt, die Wolle in jeglicher Art und Verarbeitungsstufe vom Pferdefuhrwerk Abschied nimmt und auf den Motor- Lastwagen umsteigt. Spediteur Ch. F. Günther fährt als Erster den superschweren, noch vollgummibereiften VOMAG-Laster mit dem polizeilichen Kennzeichen V 17076. Die V war das Kennzeichen der Kreishauptmannschaft Zwickau.

Bautzen trug die I, Dresden II, Leipzig III und Chemnitz die IV als Kennzeichen des Freistaates Sachsen. Kohlenhändler Paul Kögler und Gemüse-Grossist Ernst Künzel folgten danach mit der Opel-Lkw-Reihe bis hin zum legendären „Blitz“, von denen einer den Krieg überdauerte und 1945, auf Holzkohlevergasung umgerüstet, wieder für die Versorgung der Stadt mit dem Notwendigsten Tag und Nacht fuhr.

Ein großes Anliegen des Motorrad- und Autoclubs bestand seit der Gründerzeit in der städtischen Verkehrsgestaltung und -erziehung ihrer Bürger. Die ersten Verkehrszeichen in den Hauptstraßen und Wegweiser vom Deutschen Touring Club, gesponsert vom DUNLOP-Reifenkonzern, werden aufgestellt. Mit 500 m Genauigkeit und Richtungspfeil ist an Künzels Gemüseladen das gelbe Schild zu lesen: Auerbach 22,5 km. Kirchbergs Industrie bindet sich allmählich in das Automobilwesen ein. Dieses zu fördern war auch stets das persönliche Ziel des Vorstandsmitgliedes Hans Kramer.

Noch heute existiert ein Exemplar des um 1930 von ihm herausgegebenen Kompendiums „Kilometerverzeichnis sowie Verkehrs- und Kennzeichen“. Darin sind die Entfernungen von Kirchberg nach über 300 Städten in Deutschland angegeben, die kürzeste mit 9 km nach Schneeberg und die längste mit 818 km nach Königsberg, dazu die Abbildungen der damals gültigen 33 Verkehrszeichen sowie die Namen der Länder Europas, die „rechts fahren, rechts ausweichen und links überholen; links fahren, links ausweichen und rechts überholen“. Kramers betreiben außerdem Kirchbergs erste „Fahrschule der Klasse I“.

Kirchbergs Industrie kommt immer mehr mit dem Automobilbau in Berührung. So erweitert die Richard Doerfel GmbH in der Bahnhofstraße 1937 ihre Produktionspalette von wärmetechnischen Anlagen und stellt Kraftfahrzeugheizungen unter der Typenbezeichnung „Auto-Sonne“ her. Die Auto-Sonne W 101 ist eine Warmwasserheizung, bei der das heiße, im Kreislauf befindliche Kühlwasser nutzbar gemacht wird. Zum Einbau eignen sich alle Wagentypen mit Kühlwasserpumpe.

Die Heizung ist unabhängig von der Belastung des Motors und unabhängig vom Auspuff - daher gleichmäßige und reine Warmluft im Wagen, die durch einen Schalter reguliert und nach allen Richtungen gelenkt werden kann. Doerfel liefert sie für Pkw und Busse in unterschiedlichen Varianten. Die Frischluftheizung hatte sich sehr schnell als zuverlässig und ohne Kinderkrankheiten bewährt und weit über die Grenzen Deutschlands verbreitet. Sie war der Verkaufsschlager im 75. Jubiläumsjahr der Firmengründung 1938 und blieb es bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.

Danach fand sie in Militärfahrzeugen breite Anwendung. Aber auch Klaus Ebert und seine Firma Maschinenbau Verzahnung in der Robert-Seidel-Straße 2 bringen Kirchberg mit in die Automobilgeschichte ein. Kein Trabi ohne die Eberts. Wichtige Maschinenteile zur Bearbeitung des Baumwollfließes, die Basis der Trabi-Karosse, erhalten die Zulieferbetriebe von Sachsenring aus der Produktionsstätte hinter dem Brühl in Kirchberg.

Weiterhin wird das VW-Werk Wolfsburg seit 1990 mit Langgewindespindeln für die Taktstraßen der Pkw-Montage aus der Werkstatt von Klaus Ebert beliefert, zeitweilig bis zu 700 Stück pro Woche. Hinzu kommen noch für den unmittelbaren VW-Automobilbau besonders komplizierte Zahnriemenantriebe.

Selbst das Auto der Zukunft beginnt in Kirchberg, denn für die Forschung im Automobilbau bei BMW, FIAT und AUDI bearbeitet Klaus Ebert das Metall von morgen, Sintermetalle aus Österreich, zu Kegelgetrieben und Spindelzahnkränzen.

Die Textilindustrie folgte den Metallern auf dem Fuße. In der 1801 gegründeten Tuchfabrik J. G. Wolf werden um 1930 Stoffe für die Innenausstattung der großen Limousinen zu Mercedes- Benz nach Ingolstadt geliefert. Nach 1945 werden in den selben Produktionshallen auch Autostoffe für den VEB Sachsenring produziert.

Trotz häufigen Wechsels der Verwaltungsstrukturen zur DDR-Zeit bleiben auch ab 1970 laminierte Schonbezüge das Hauptprodukt des vom Volltuchwerk Rödelbach zum Werk 3.00 umbenannten Teilbetriebes des VEB Möbelstoff- und Plüschwerkes Hohenstein-Ernstthal. Mit Einführung der Malimo-Technik geht auch weiterhin über ein Drittel der Produktion in die Automobilindustrie. Vielleicht werden die SB-Märkte als Nachfolgeeinrichtung auf dem historischen Boden von Kirchbergs bedeutsamstem Textilwerk mit Autopflegemitteln und Kleinkram die Traditionsbindung Kirchbergs zum Autowesen fortsetzen.

Da Autos und Motorräder ohne Treibstoff nicht denkbar sind, darf die Geschichte der Tankstellen in Kirchberg nicht vergessen werden, zumal sie recht interessant ist. Das um 1790 vom Weißgerber Christian Gottfried König errichtete Gebäude an der Ecke Zwickauer Straße - Hinter dem Brühl mit der Brandkataster-Nummer 72 II, heute Robert-Seidel Str. 3, will der Zimmermeister Robert Leibiger im August 1892 „wegen völliger Baufälligkeit“ abreißen lassen. Da er aber in der Hauptstraße einen besseren Arbeitsplatz findet, übernimmt 1894 der Handelsmann Karl August Georgie das Haus 72 II und baut den großen Gerberraum zu einer Schmiede um.

Diese wird 1926 unter dem aus Saupersdorf zugezogenen Fahrradhändler Hermann Kramer in eine Reparaturwerkstatt für Fahr- und Motorräder umgerüstet und vor dem Wohnhaus mit einer Zapfsäule für Benzin ausgestattet. Es ist die erste in Kirchberg, eine BO Olex Handpumpen-Doppelsäule der Rhenania Ossag Mineralölwerke Aktien-Gesellschaft, Niederlassung Leipzig, mit zwei unter der Straßendecke eingelassenen Benzintanks von je 500 l Fassungsvermögen, heute noch alles museal erhalten.

Ein Jahr später errichtet der Wirt der „Wiener Spitze“, Erich Bräuer, vor der „Einsiedelei“, dem Alterssitz des Ortschronisten Camillo Bräuer, eine ähnliche Tanksäule, auch mit zwei Behältern für Benzin der Marke Leuna und das Benzin-Benzol-Gemisch der Marke Monopolin.

Mit Kriegsbeginn 1939 wird ihr Betrieb eingestellt, die Anlage in den 50er Jahren demontiert. Ab 1930 betreibt der Mechaniker Paul Helbig in der Bahnhofstraße auf dem Grundstück der „Kirchberger Zwirnerei- und Nähfadenfabrik AG“ (heute Behr GmbH) einen Fahr- und Motorradhandel und lässt dort 1935 durch die Zwickauer Firma Krempe eine Zapfstelle für freies Benzin errichten, bestehend aus zwei in einer Grube liegenden Fässern von je 500 l Volumen und einer Abfüllvorrichtung - Marke Eigenbau. 1939 nimmt die Zwirnerei Wildenfels ihre zeitweilig stillgelegte Produktion wieder auf und Paul Helbig verlegt seine Gewerberäume in die Bahnhofstraße 61 II, in das einstige Konsum-Gebäude (heute Geschäfts- und Ärztehaus).

Erst 1945 wird hier „eine Betriebstankstelle, bestehend aus einer Grube zur Aufnahme von zwei liegenden Fässern mit je 500 l Inhalt und einer Abfallvorrichtung“ vom Kirchberger Bürgermeister genehmigt. Aber bereits 1947, nach Wiedererrichtung des Konsum-Vereins, wird aus dem Motorradladen wieder eine Verkaufsstelle für Lebensmittel.

Spektakulärer ist die Geschichte von Kirchbergs größter und verkehrstechnisch am günstigsten gelegenen Tankstelle des Mechanikermeisters Georg Alfred Sonntag. Unter dem Firmennamen Hermann und Sonntag, Reparaturwerkstatt- Fahrschule beantragt Herr Sonntag noch vor der Trennung von seinem Kompagnon Fahrlehrer Hermann im Jahre 1936 die Genehmigung für den Bau eines Wohnhauses mit Werkstatt und Tankstelle auf dem bereits 1934 käuflich erworbenen Cunersdorfer Flurstückes 357 b an der Landstraße I. Ordnung von Rothenkirchen nach Wilkau, unmittelbar an der Flurgrenze zur Stadt Kirchberg.

Im Juli 1937 erhält Alfred Sonntag vom Sächsischen Innenminister Lenk den Bescheid der Landesregierung, dass sein im Februar 1936 eingereichter Antrag zur Errichtung einer Autoreparaturwerkstatt mit Tankstelle auch im Revisionsverfahren erneut abgelehnt wurde, da „auf Grund eines Runderlasses des Herrn Reichs- und Preußischen Arbeitsministers vom 28. September 1936 ein Anbau an Verkehrsstraßen verboten ist“. Alfred Sonntag ist ratlos. Da schaltet sich Bürgermeister Engelmann als straffer NSDAP-Mann ein und wendet sich über den Zwickauer Kreisleiter seiner Partei Dost direkt an Mutzschmann, den Reichsstatthalter in Sachsen. Beide kennen sich gut als „alte Kämpfer“ und hecken einen Kompromiss aus, der Kirchberg zu einer modernen Tankstelle verhilft, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Am 23. September 1937 teilt Dr. Fritsch als Nachfolger des inzwischen abgelösten Innenministers Lenk dem NSDAP-Kreisleiter Dost mit, dass der „Erlass des Reichsarbeitsministers einen Anbau an Verkehrsstraßen absolut nicht zulässt, er aber mit Sonderanordnung vom 26. Juli 1937 eine gesetzlich noch zulässige und praktisch durchführbare Lösung dahin angebahnt habe, dass das unmittelbar an die Stadt Kirchberg angrenzende Cunersdorfer Flurstück 357 b zur Stadt umbezirkt... wird“.

Hätte es damals schon ein Unwort des Jahres gegeben, „umbezirkt“ wäre das von 1937 geworden. Und es wurde schnell umbezirkt. Kirchberg erhielt nicht nur eine neue große Tankstelle, sondern vergrößerte zusätzlich sein Ortsareal um 1500 Quadratmeter. Die Deutsch-Amerikanische Petroleum- Gesellschaft installierte ihre „Standard-Pumpanlage Z5 mit geeichtem 5-Liter-Zwillingsmessgefäß“, nachdem zwei liegende Tanks für 3000 l und 4000 l Fassungsvermögen im vorgeschriebenen Abstand von 7,65 m zur Straßenachse unter die Erde gebracht waren.

Am 1. Mai 1939 nahm die Tankstelle der Rhenania-Ossag AG, geschmückt mit Staatsfahnen, den Betrieb auf. Sie existiert noch heute, selbst nach über 40 Jahren unter den Fittichen des gelb-roten Minolpirols, als „Q 1 - Tankstelle Brettschneider“, dem Phönix gleich aus der Asche gestiegen, größer und moderner denn je, wenn auch gegenüber des gleichnamigen Ford-Autohauses. Mit dem 1995 projektierten und 1996 an der Christoph-Graupner-Straße 2 in Betrieb genommenen „Weise-Tank-und-Wasch-Center“ besitzt Kirchberg eine weitere Tankstelle.

Das war der lange Weg in der 75-jährigen Geschichte, die unsere Stadt mit allem verbindet, was zum Automobilwesen gehört. Es begann mit Kramers bescheidener Tanksäule mitten in der Stadt und endet sicher noch lange nicht mit den beiden modernen Kraftstoffversorgungs- und Pflegezentren, günstig gelegen an den Nord-Süd- und Ost-West-Straßenachsen, die aus und besonders für liebe Gäste nach Kirchberg führen.

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